7 Tage Toskana ohne Florenz – Ein Reisebericht
Florenz? Diesmal nicht. Die Stadt am Arno mit den Uffizien, dem David und dem Duomo verdient mehr als sieben Tage. Stattdessen widmen wir uns Siena, San Gimignano und den Chianti-Hügeln – Orte, die Zeit und Aufmerksamkeit verdienen. Auch wenn eine Woche für die Toskana viel zu kurz ist, lässt sich mit kluger Planung eine eindrucksvolle Rundreise gestalten.
Siena – Gotik, Genuss und Geschichte – Reisebericht Toskana
Nun gut. Keiner braucht zu glauben, hier als einziger durch enge Gassen zu schlendern. Erst recht nicht am Piazza del Campo, wo der 102 Meter hohe Torre del Mangia über ein Meer aus Stimmen ragt: „awesome“, „très jolie“, „ładny“.
Und in der Tat ist das Herzstück Sienas ein Hingucker, auch wenn dort nicht das berühmt-berüchtigte Pferderennen „Palio di Siena“ stattfindet. Oder gerade deswegen. Denn regelmäßig verletzen sich auf dem halsbrecherischen Parcours Reiter und Tier. Dann schon lieber einen Aperol-Spritz als Sundowner in einem der unzähligen Restaurants und Bars am Rande des Platzes genießen: acht Euro, insgesamt moderate Preise, autofreie Innenstadt, entspannte Atmosphäre.
Dann auf zum zweiten Highlight Sienas, zu der Kathedrale mit ihren Säulen und Turm im markant schwarz-weiß geringelten Muster. Genau hingeschaut ist das „Schwarz“ ein dunkelgrünes Gestein (Serpentinit) und das „Weiß“ natürlich Marmor. Erstellt wurde der Prunkbau im 13. Jahrhundert, doch hundert Jahre später wollten die Sieneser den weltgrößten Dom haben und fingen mit der Erweiterung an. Klappte nicht, und die Geschichte passt zur heutigen Zeit: Planungsfehler, Wirtschaftskrise und Corona – äh ne - Pest kamen dazwischen. Wie auch immer, 92 Meter Länge, 25 Meter Raumhöhe im Mittelschiff und 41 Meter unter der Kuppel beeindrucken auch so und sind ihre acht Euro Eintritt wert.
Kostenlos gibt es in der Stadt unzählige An- und Ausblicke auf alte Fassaden, Skulpturen, und historische Gebäude, wie den Palazzo Salimbeni, die Aussichtsterrasse Vicolo del Compaccio und dem etwas versteckten Wasserbecken des Fontebranda-Brunnens. Wer in einem B&B innerhalb der Stadt übernachtet, erlebt einige Gassen am Abend fast menschenleer – ein seltenes Privileg.
Montalcino – Wein mit Weitblick – Reisebericht Toskana
Ja, ja, die Touris, aber bin ich ja selbst. Trotzdem gefällt mir die Toskana mit weniger Besuchern mehr. Eine Lösung ist eine Reise im Herbst, da ist weniger los, aber mit dem Wetter auch. Dafür spiegeln sich in den Pfützen von Montalcino nur wenige Gäste.
40 Kilometer südlich von Siena liegt Montalcino auf einem Hügel. Kopfsteinpflaster, Stadtmauer, Castello – alles da. Ideal für einen einstündigen Bummel durch die Gassen. Doch das herausragende Merkmal von Montalcino ist flüssig. Auf dem Hügel unterhalb der Stadt wächst der beste oder zumindest einer der teuersten Weine Italiens: der Brunello. 200 Euro pro Flasche sind keine Seltenheit, ein Glas in der Enoteca kostet zwölf. Bei Regen schmeckt er besonders gut.
Dann bricht die Sonne durch die Wolken und taucht die Fortezza di Montalcino samt Pinien in goldenes Licht.
Chianti – Zwischen Reben und Ruhe – Reisebericht Toskana
Berauschende Landschaft! Mit den Pinien, den schlank in die Höhe wachsenden Zypressen und den sanften Weinbergen schafft die Toskana einen echten Sehnsuchtsort.
Hier bei Radda in Chianti liegt das Kerngebiet des gleichnamigen Weins und nur hier darf der Chianti den „Gallo Nero“ den „Schwarzen Hahn“ als Markenzeichen tragen. Im Herbst hängen die Sangiovese-Trauben prall und dunkelblau an den Reben.
Auf jedem der lieblichen Hügel findet sich dazu ein Weingut, das die Trauben je nach Lagerzeit in den Holzfässern zu Riserva und Gran Selezione verarbeitet. Oder auch ganze Orte existieren nur durch die Weinproduktion. In Volpaia, einem winzigen Ort nahe Radda, fließt der Wein durch unterirdische Leitungen zwischen Produktionsstätten – sogar in ehemaligen Kirchen wird gekeltert. Ein malerisches Dorf mit einladenden Restaurants und ein echter Geheimtipp.
San Gimignano – Türme, Eis und Geschichte – Reisebericht Toskana
Richtig voll wird’s dann wieder in San Gimignano, einem Glanzpunkt der Region und ein absoluter Besuchermagnet. Hier dreht sich alles darum, wer den größten hat. 15 gewaltige Türme von bis zu 54 Meter Höhe bestimmen die Skyline des Städtchens. Sie waren ein Statussymbol der reichsten Kaufleute der Stadt und hatten kaum einen anderen Zweck als zu imponieren.
Ich besteige den Torre Grossa, quetsche mich durch eine enge Luke und bekomme einen eindrucksvollen Weitblick über die Dächer der Stadt, die in ihrer Blütezeit im 13. Jahrhundert mit insgesamt 72 Türmen protzte.
Doch Reichtum schützte nicht vor der Pest, durch neu erschlossene Handelsrouten blieben Händler und Pilger aus, Türme stürzten ein. Der Niedergang der Stadt war die Folge. San Gimignano zählte zu einer der ärmsten Städte der Region, Neubauten blieben aus, keiner wollte investieren. Schließlich klopften die verbliebenen Einwohner auch den letzten bröckeligen Putz von den Wänden und schufen ein gotisch-historisches Touristenparadies.
Drei Millionen Besucherinnen und Besucher strömen jährlich in den Ort und an manchen Sommertagen stauen sich bis zu 160 Touristenbusse vor der Stadtmauer. Wenn dann noch die weltberühmte Gelateria „Dondoli“ mit „Crema di Santa Fina" (Safran und Pinienkerne) oder Pistacchio lockt, dann wird es richtig voll.
Eine Übernachtung in San Gimignano lohnt sich: Abends gehört die Stadt den wenigen Verbliebenen.
Prato – Renaissance und Ruhe – Reisebericht Toskana
Fast neben Florenz liegt Prato – eine Stadt, die für seine Textilindustrie berühmt ist. Am Wochenende wirkt die Stadt angenehm ruhig. Hier scheint Italien noch Italien zu sein und wir Touristen eher die Ausnahme. Die Textilgeschäfte haben geschlossen, doch die Kirchen sind offen und so kann ich die Renaissancefresken in der Kathedrale Santo Stefano bewundern.
Nicht nur innen, auch außen ist der Duomo ein Hingucker.
Bologna – Der perfekte Abschluss
Zugegeben, Bologna liegt in der Emilia Romagna. Doch die Stadt ist ein idealer Ausgangs- oder Endpunkt für eine Toskana-Reise und bietet reichlich Sehenswürdigkeiten: Die Türme Asinelli (97m hoch) und Garisenda (47m hoch) ragen schief in den Himmel. Zu schief, sie dürfen nicht mehr bestiegen werden.
Mit seinen 400.000 Einwohnern kennt Bologna die Probleme einer Großstadt. Obdachlose, Graffiti und Verkehrsprobleme sind gegenwärtig. Doch auch hier ist wenigstens das Zentrum vom Autoverkehr befreit und in den Gassen bieten Restaurants ihre nach der Stadt benannte Bolognese in allen Varianten an.
Noch ein letzter Blick auf den Neptunbrunnen mit seinen frivol-erotischen Sirenen…
…und beim Schaufensterbummel in den Geschäftsarkaden von Bologna ziehe ich Fazit: Eine Woche Toskana ohne Florenz? Viel zu kurz – aber voller Eindrücke. Wer sich auf weniger bekannte Orte konzentriert, erlebt Geschichte, Genuss und Landschaft in ihrer schönsten Form. Und vielleicht ist das ja erst der Anfang…