Hallo

DSCF2003.JPG

Herzlich willkommen auf unserer Magazin-Seite.

Wir wollen unterhalten und informieren.

Viel Spaß

Goslar und Glühwein

Goslar und Glühwein

Die Zimtstange sieht aus wie ein Strohhalm, ist aber keiner, dient nur der Geschmacksverstärkung, sagt die nette Frau vor mir, als ich versuche, witzig zu sein. Ich sollte mich doch lieber auf meinen Glühwein konzentrieren, der jetzt dampfend auf dem Tresen vor mir steht, statt blöde Witze zu reißen, die keine sind, da lacht ja noch nicht mal der kleine Schneemann mit der roten Nase. Ich zahle und drehe mich um.

Goslar_009red.jpg

Es ist ungemütlich kalt, feucht und der Wind zieht durch die Gassen von Goslar. Da hilft etwas Warmes zwischen den Pfoten. Meine Wollhandschuhe verhindern, dass ich mir die Finger verbrenne, denn heiß ist er wirklich, der Glühpunsch von der Glögg-Hütte. Mit den Lippen taste ich mich Stück für Stück an den Becherrand heran. Geht noch nicht. Dann halt erst einmal nur die Hände wärmen, auch schön. Ich fühle mich wohl.

Goslar_001red.jpg

Es ist noch früh am Nachmittag auf dem Marktplatz in Goslar, der 1000 Jahre alten Stadt an dem Flüsschen Gose. Ich bin wie jedes Jahr mit Ehefrau und Freunden zur Adventszeit wieder irgendwo in Deutschland unterwegs, um eine schöne Stadt mit Weihnachtsmarkt zu besuchen. Diesmal haben wir uns das Harzer Städtchen am Rammelsberg mit der traditionsreichen Geschichte und der Auszeichnung als Weltkulturerbestätte der UNESCO ausgesucht.

Goslar_018Bred.jpg

Die Gründung dieser Stadt war eine unmittelbare Folge des Eisenerzvorkommens. Daher entstanden hier Siedlungen, in denen das Erz zu Metallen verarbeitet und veredelt wurde. Später wurde die Bedeutung dieses Ortes durch Silberfunde noch gesteigert. Und die Stadt mehrte ihr Ansehen unter Kaiser Heinrich II. ab dem Jahr 1009 n. Chr. als eine zentrale Pfalz des Heiligen Römischen Reiches.

Goslar_016red.JPG

Ich stehe jetzt am Marktbrunnen. Seine Bedeutung ist augenfällig: er markiert den Mittelpunkt des Marktplatzes und damit der Stadt, er wird bekrönt vom Wahrzeichen Goslars, dem Adler. Ich habe nachgelesen, dass die untere Brunnenschale aus dem 12. Jahrhundert stammt und deutschlandweit der größte Bronzeguss der romanischen Zeit ist. Der Adler sieht witzig aus, finde ich. Ist übrigens nicht der echte, der ist im Museum.

Goslar_013red.JPG

Goslar bezaubert mich durch die schmalen Gassen, die schieferverkleideten Fachwerkhäuser und die mittelalterlichen Prachtbauten. Nach einigen Getränkeaufnahmeunterbrechungen schlendern wir an den hell erleuchteten Schaufenstern vorbei und entdecken ein seltsames Porzellanpärchen, das nachdenklich die Besucher anzusehen scheint und vielleicht sagen will: „Hej, wir sind alle keine Engel, aber was soll‘s, nimm das Leben nicht so ernst, sondern genieße es.“ Recht haben sie.

Goslar_004red.JPG

Auf meinem weiteren Weg sehe ich einen alten Mann, der mich anrührt. Der Mann ist alt im Sinne von „noch älter als ich“ und er erinnert mich an meinen Vater, der heute seinen achten Sterbetag hat. Die Haare wild, die Stirn hoch, der Bart grau und mit einer randlosen Brille auf der Nase. Ich sehe ihn nur kurz, mehr vor hinten als von vorn. Wahrscheinlich sieht er doch ganz anders aus. Aber er löst in meinem Kopf einen Flash aus. Oft denke ich an meinen Vater. An seine Stärken, an seine Schwächen, an seine Fähigkeiten, an seine Ängste. Zu oft, vielleicht. Ich weiß nicht. War halt mein Vater, eine Identifikationsfigur.

Goslar_010red.JPG

Vorbei geht’s an Zech’s Laugenbrezeln, an den Bonbon-, Ross und Mandel-Franz-Hütten, am Laden mit dem arktischen Finnlandhonig zum Stand mit heißem Schafskäse. Nicht nur flüssige Nahrung zu sich nehmen, auch mal etwas Festes, mahnt meine Frau. Recht hat sie. Es mundet. Während des tropfenden Aktes fällt mein Blick auf ein kleines Wäldchen aus Tannen und Fichten, direkt neben uns. Sieht einladend aus und blinkt. Lasst uns doch mal reingehen. Gesagt, getan. Es ist der Goslarer Weihnachtswald, künstlich angelegt, aus rund sechzig Nadelbäumen. Sehr authentisch, mit duftendem, echtem Waldboden und unechter, aber romantischer Beleuchtung. Und mittendrin ein Weihnachtspunschstand. Die Birne zwischen den Schultern freut sich, die Leber krampft. Egal.

Goslar_005red.jpg

Als wir Stunden später doch noch aus dem Wald herausgefunden haben, drücken uns die Besuchermassen zu einem Feuerzangenbowlenstand. Ein richtig dicker, gemütlich aussehender Großlöffelherrscher steht rund einen halben Meter über dem Fußbodenniveau im hinteren Teil der Hütte und rührt in einem riesigen Kupferkessel. Das ist dann wohl der Kessel für die Feuerzangenbowle. Tatsächlich zelebriert mit Zuckerhut, Rum und viel Tamtam wird hier nichts. Ist rein technisch sicherlich zu schwierig und vielleicht auch zu gefährlich. Aber die Bowle könnte ja trotzdem schmecken. Na dann ... Wir nehmen ein weiteres, nur ein „wähnziges“ Schlückchen.

Goslar_003red.jpg

Natürlich darf ein typisches Lebkuchenherz nicht fehlen. Aber welches hätten’s denn gern? Die Sprüche gehen von grauenvoll dämlich bis abgrundtief profan. Schließlich fällt meine Wahl auf den süßen Schatz. Gerade will ich bezahlen, da merke ich, dass die Holde nicht mehr in meine Nähe weilt. Die hat etwas anderes gesucht: das Weite, vermute ich. Ich glaube, die will kein Herz aus Lebkuchen mit Spruch. Ich lasse das Teil hängen und trolle mich.

Goslar_017red.JPG

Kurz vor dem Verlassen des Weihnachtsmarktes stoppen wir noch an Wallners Steinofenbäckerei. Der Schmachtlappen für drei Thaler soll der Hammer sein. Die Schlange reicht allerdings bis zu Stand von Elka’s Spezialitäten. Das ist die Hütte mit Glühweinbonbons, ehrlich, kein Scherz.

Goslar_011red.JPG

Als wir endlich beim Lappenabgreifen dran sind, erzählt der offensichtlich dauerlustige Verkäufer nicht nur uns eine Schnurre nach der anderen. Von wegen: „Da stehen die dreißig Minuten und wissen nicht was sie wollen. Die fragen mal nach Döner, Currywurst oder Glühwein, die haben doch nicht mehr alle!“ Da hat er Recht. Liegt vielleicht am geglühten Alkohol oder so!

Goslar_012red.JPG

Glücklich angeheitert und mit einem Lächeln im Gesicht verlassen wir die historische Altstadt von Goslar Richtung Hotel. Schön war’s gewesen, wie Lea Streisand von Radio eins aus Potsdam montags immer verkündet. Es lag diesmal bestimmt auch an der Feuerzangenbowle. Denn wie heißt es im gleichnamigen Film: „Eine Feuerzangenbowle ist keine Bowle. Sie ist ein Mittelding zwischen Gesöff und Hexerei. Bier sackt in die Beine, Wein legt sich auf die Zunge, Schnaps kriecht in’s Gehirn. Eine Feuerzangenbowle aber geht ans Gemüt. Weich und warm hüllt sie die Seele ein, nimmt die Erdenschwere hinweg und löst alles auf in Dunst und Nebel.“ Wahr gesprochen, Dr. Johannes Pfeiffer, und … dem ist nichts hinzuzufügen.

Goslar_007red.jpg

Habt Ihr auch eine Weihnachtsgeschichte zu erzählen? Immer raus damit und rübergesandt an info@grad60.com. Wir veröffentlichen jeden Gastbeitrag!

Am Anfang des Artikels steht “Werbung unbeauftragt”, das heißt, dass dieser Artikel ohne Beeinflussung und Bezahlung geschrieben wurde. Warum der Vermerk trotzdem dort steht, erfahrt ihr auf unserer Seite “Transparenz”

Mikroabenteuer

Mikroabenteuer

Bier in der Unterwelt

Bier in der Unterwelt