Weihnachtsgruß 2025
„Was ist das denn?“, fragt Thomas – den Verkäufer, mich und vermutlich auch sich selbst. „Etwa eine Urne?“ „Ja, genau!“, antwortet ein leicht verschmitzt dreinblickender Mann mit Baskenmütze, dichtem Bart und Brille hinter seinem Verkaufstisch auf dem Weihnachtsmarkt am Mexikoplatz.
„Eigentlich schade um diese wunderbare Handwerkskunst“, sage ich. „Am Ende verschwindet sie in der Erde und verrottet zusammen mit der Asche.“ „Eben!“, entgegnet der Holzschnitzer. „Deshalb empfehle ich, sie noch zu Lebzeiten zu kaufen und ins Regal zu stellen. Dann kann man sie jeden Tag anschauen – und sich ganz entspannt auf sein zukünftiges Zuhause freuen.“ Er hat recht. Das hölzerne Aschegefäß für die ewigen Jagdgründe kostet rund 280 Euro – und scheint jeden Cent wert zu sein.
Wir sind kurz vor Weihnachten in Zehlendorf auf der „Advent-Künstlerstation am Mexikoplatz“, wie der Markt offiziell heißt. Zu Recht darf er sich eine Berliner Institution nennen: Seit über dreißig Jahren versammelt er Handgemachtes, Ausgefallenes und Künstlerisches. An rund 100 Ständen gibt es Arbeiten aus Holz, Metall, Keramik, Stoff und Edelsteinen zu entdecken. Und ja – sehr lustige Dinge sind auch dabei. Etwa dieser etwas korpulente, weibliche Weihnachtsengel im gelben Strickpulli mit goldenen Haaren. Mir scheint´s, als hätte die gute Frau schon alle Plätzchen intus.
Mit viel Liebe zum Detail werden hier Objekte angeboten, die man sonst kaum irgendwo findet. Wer noch auf der Suche nach einem außergewöhnlichen Geschenk ist – oder schlicht keine Ahnung hat, was unter dem Christbaum liegen soll – wird hier fündig. Der Engel ist schon ziemlich witzig, aber die Filzmäuse sowie Senta und Karl aus Filz sind schlicht der Hammer.
Madeleine Brünner heißt die Künstlerin hinter diesen Werken. Sie bezeichnet sich selbst als Filzgestalterin und ihre Passion als tiefgreifende Leidenschaft mit eindeutigem Suchtcharakter. Neben Figuren fertigt sie auch Kleidungsstücke und Mützen. Und was für welche! Man fragt sich unweigerlich, warum es hier so viele schräg-ulkige Kostbarkeiten gibt – vermutlich liegt es einfach an der kreativen Freiheit dieses besonderen Marktes. Madeleine sieht toll aus.
Natürlich dürfen auf einem Weihnachtsmarkt auch die kulinarischen Genüsse nicht fehlen. Glühwein, Käsespätzle und – wie man munkelt – die besten Waffeln Berlins locken die Besucher. Die Schlange vor den Spätzle ist schier endlos, die vor dem Glühwein erfreulich überschaubar. Die Entscheidung fällt daher leicht: Heißgetränk. Und dieser Glühwein ist gut, sehr gut. Selbstgemacht, tiefrot, dampfend und mit genau der richtigen Mischung aus Weihnachtsgewürzen und „Ach komm, einer geht noch“.
Es ist nicht kalt und doch ist die Wärme zwischen den Händen angenehm. Ich fühle, wie auch mein Herz und meine Weltanschauung erwärmt wird. Es ist wie immer: Gespräche werden entspannter, Probleme kleiner und der Weihnachtsmarkt plötzlich noch ein bisschen schöner, als er ohnehin schon ist. Manche Dinge lassen sich mit Glühwein einfach besser ertragen – das Jahr zum Beispiel.
Es war ereignisreich, nicht immer nur schön, sondern oft genau das Gegenteil. Dieses Jahr 2025 geht nun zu Ende; das nächste wird hoffentlich besser. Wir wünschen unseren treuen Lesern und Leserinnen, unseren Gastautoren und Gastautorinnen und allen Neugierigen ein frohes und besinnliches Weihnachtsfest und einen guten Rutsch ins neue Jahr. In diesem Sinne, bis denne, euer Thomas und euer Martin.
P.S. Wer Kontakt zu Madeleine Brünner aufnehmen will, kann ihr eine Mail schicken: madbrue@gmx.de und wer uns seine Weihnachtsimpressionen zusenden will, sehr gerne: info@grad60.com


