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Die Fürstliche! -  Ein Tag in Putbus auf Rügen

Die Fürstliche! -  Ein Tag in Putbus auf Rügen

In diesem Gastbeitrag verzaubert uns Edith mit profunden Kenntnissen über die Stadt Putbus auf Rügen, über die dortige Kunstszene und verwöhnt uns dazu mit ihren hervorragenden Fotos. Vielen Dank!

Wenn Menschen über Rügen sprechen, dann spürt man eine Faszination, eine Begeisterung, die ansteckend sind. Man hört vor allem Lobes-Hymnen über Strand und Meer sowie Ruhe und Natur oder aber Berichte über Gesundheit und Wellness sowie Sport und Bewegung. Auch meine eigene Schwärmerei dafür ist nicht zu überhören. Und wahrlich: Die Strände sind soooo schön!

Kenner und Liebhaber von Kunst und Architektur finden ihren Insel-Hochgenuss jedoch weder an den feinsandigen Küsten im Osten oder in den stillen Gutshöfen auf der Westseite noch beim Ansturm auf die jährlichen Störtebeker Festspiele am Jasmunder Bodden, sondern im eleganten Putbus im Südosten der Insel. Dieser Stadt gebührt eigentlich eine viel größere Aufmerksamkeit! Putbus verdankt seinen Namen der hier einst ansässigen Familie Putbus, einem Nebenzweig der alten Rügen Fürsten.

Der visionäre Fürst Wilhelm Malte I. gründete im Jahr 1810 einen auf dem Reißbrett konzipierten Residenzort im klassizistischen Stil. Betritt man heute den Circus – ein kreisrundes Rondell mit mittigem Obelisk und sternförmigen Spazierwegen sowie umlaufender Straße mit in der Sonne gleißend weiß strahlenden mondänen Bürgerhäusern - entschlüpft dem Mund unweigerlich ein überraschendes: „Wow!“ Vor fast jedem Putbusser Haus blühen in voller Pracht die unterschiedlichsten Rosenstöcke.

Fast 700 Stammrosen wurden gezählt. Fürst Malte verfügte bereits zu Gründungszeiten, dass die Putbusser ihre Häuser alle zwei Jahre neu streichen sollen. Es heißt, dass er ihnen sogar das Geld für die Farbe gab. Der Erwerb der Wohnhäuser war mit der Verpflichtung verknüpft, vor den Häusern stets Rosenstöcke zu pflanzen. Diese wirken heute besonders edel vor der weißen Architektur. Auch am Marktplatz lohnt sich ein Rundgang um die begrünte Anlage mit ihren ehemaligen Hand­werker-Häusern, Kaufmanns­-Geschäften, mit dem Rathaus und der Fürsten­apotheke.

In der Produzentengalerie Rotklee steht die Tür kundenfreundlich offen. Hier werde ich von Walter G. Goes herzlich begrüßt und in ein Gespräch verwickelt. Gleich nebenan im Bistro laden Stühle und Strandkörbe zum Verweilen ein. Da es uns noch zu früh zum Pausieren ist, bewundern wir lieber den klassizistischen Theaterbau mit seinem Säulen-Portikus. Schade, die Karten zum Kabarett sind bereits alle ausverkauft.

Schräg über die Alleestraße lockt die ehemalige fürstliche Orangerie, in der heute die Galerie der Kulturstiftung Rügen untergebracht ist. Wie schön auch hier die Grünanlagen gepflegt sind!

Im Eingangsbereich mit den gläsernen Anbauten, dem ehemaligen Torhaus zur Orangerie, befinden sich heute die Töpferei „andersKeramik“ und das Café „Milchmädchen“ mit einem Hofladen für regionale Produkte. 

Was für ein Glück! In der Orangerie ist gerade Hans W. Scheibner ausgestellt. Hinein und schauen! Die Figuren krachen, die Porträts überzeugen.

Hans W. Scheibner ist einer, der auch noch zusätzlich auf seine Leinwände schreibt... Ein kritischer Geist. Wie in einer Szenerie sitzt vor den großen mit luftigen Vorhängen verhängten Orangerie-Fenstern ein älterer Herr am weißen Klavier und spielt Melodien, als wolle er die bizarren Gestalten zum Leben erwecken.

Wieder draußen nehmen wir den Kontrast wahr: das satte Grün des Schlossparks mit seinen vielen Pflanzen- und Gehölzarten. Die freien Rasenflächen dazwischen lassen außergewöhnliche Sichtachsen entstehen. Der Park wurde von Fürst Malte I. nach englischem Vorbild angelegt und umfasst fast 75 Hektar. Im Westen, in der Nähe der Schlosskirche, die ursprünglich ein Kur-Salon war, schließt sich ein Wildgehege an.

Wir könnten jetzt einfach weiter die Kastanienallee entlanglaufen bis zum Schwanenteich oder rechts am Denkmal von Wilhelm Malte I. vorbeispazieren, hinüber zu der Stelle, an der einst das Schloss stand - gut aufgestellte Infotafeln helfen den Besuchern den vergangenen Zeiten nachzuspüren - oder wir könnten dem Marstall und dem Rendanten-Haus noch einen Besuch abstatten oder auch dem Mausoleum der Fürstenfamilie. Aber wir beschließen, zu unserem parkenden Auto am Circus zurückzukehren, denn wir sind heute noch an einem ganz besonderen Ort verabredet.

Jedoch man sieht, dass es sich durchaus lohnt, mehr Zeit für den Park einzuplanen. Auf dem Rückweg werfen wir noch einen Blick auf das Rosencafé mit Sonnenterrasse und feiner Aussicht auf die Rosenspaliere an der metallenen Pergola. Das Gebäude war ehemals das fürstliche Gartenhaus. Am Giebel befindet sich noch das gusseiserne Wappen der Familie zu Putbus.  

Unser nächstes Ziel ist der Kunst-Ort „Alte Wassermühle“ im Ortsteil Putbus/Wreechen!

In Vorbereitung unseres Rügen-Urlaubs hatte ich eigentlich nicht mit diesem permanent hochsommerlichen Strandwetter gerechnet und deshalb andere sehenswerte Dinge recherchiert. So fand ich eine Veranstaltung des Kunstvereins Stralsund: einen Atelierbesuch beim Künstler Bernhard Misgajski. Wenn man noch vor den ersten Häusern von Wreechen rechts - Richtung Wreechener Hof- abbiegt, entdeckt man den ersten Hinweis zum Künstleranwesen: den Dreiohrhasen! Der ist so etwas wie das Markenzeichen des Bernhard Misgajski.

Der Weg wird kiesig und nach dem Hotel erdig. Hier soll noch ein Gehöft kommen? Ja, ja. Wenn man denkt, jetzt geht es nicht weiter, ist man da. Wir sind etwas früher als die Stralsunder dran und dürfen uns auf dem Areal schon umsehen. Was für ein bezaubernder Ort!  Eine kaum zu definierende friedvolle Atmosphäre strahlt dieser Platz aus! Die Wege zwischen den mit Natursteinen oder Cortenstahl eingefassten Rasenflächen, auf denen die Plastiken des Künstlers wunderbar Raum haben, sind etwas tiefer gelegt.

Im Hintergrund bildet oft die wilde Natur den passenden Rahmen. Seine vor sich hin rostenden Werke finden sich aber auch unter oder vor Quitten- und Apfelbäumen voller reifer Früchte, die für feine Farbtupfer sorgen. Ein riesiger Walnussbaum spendet einer vermeintlichen Tierherde Schatten? Nein, mitnichten! Da ist das Auge wohl einem vorschnellen Irrtum aufgelegen. Es handelt sich um Gefäße!

Genauso wie der Stuhl ist das Gefäß ein Thema, das sich beständig durch das Gesamtwerk des Metallbildhauers zieht.

Die meisten seiner Metallskulpturen haben irgendwo eine Öffnung. Raffiniert! Man kann sie so mit allerhand anderen Materialien kombinieren. Eine Art Wippe ist z.B. mit verschiedenen Moosen befüllt und zu einer Miniaturlandschaft geformt. Bernhard Misgajski erzählt uns, dass er eine große Affinität zu Japan hegt und oft Eindrücke von seinen Reisen in seiner Kunst umsetzt. In den japanischen Gärten wird gern Moos verwendet, um Räume von tiefer Ruhe und transzendenter Schönheit zu schaffen. Die „Astgabeln“, die eine alte Weide vorm Umfallen stützen, erinnern mich im Weitesten an Victory-Zeichen oder an die seltsamen Gabeln/Krücken in einigen Dali-Gemälden, zum Beispiel im Werk „Der Schlaf“. 

An diesen Stützen hier krabbeln interessante Viecher in die Baumkrone. Bernhard Misgajski nennt sie die Coviden. Die Figuren-Objekte entstanden zu Corona-Zeiten.

Eine kleine Außengalerie für zweidimensionale Werke gibt es auch. Wie? Werden die Gemälde bei Regen und Sturm nicht nass und in Mitleidenschaft gezogen? Das Geheimnis dahinter ist fulminant und aufregend zugleich: Das sind nämlich gar keine Leinwände!

Bernhard Misgajski ist einer von wenigen noch praktizierenden Emaille-Künstlern!  Das, was wie ein leicht hingetupftes japanisches Aquarell ausschaut, ist in Wahrheit eine emaillierte Metallplatte, eine aufwendige Technik, bei der das Emaille-Pulver in mehreren Schichten auf das Stahlblech aufgetragen und jeweils im Brennofen für 3-5 Minuten gehalten wird. Bis alle gewünschten Effekte erzielt sind, können manchmal Tage vergehen. Ich bin begeistert!

Im alten Stall der Mühle, der behutsam renoviert wurde, verstecken sich Galerie und Werkstatt des Künstlers. Die alten Futtertröge sind mit Blechen ausgekleidet. Das für mich auffälligste Ausstellungsstück ist ein sehr schmales Gefäß mit imposantem Durchmesser. Ich schätze ihn auf einen Meter.

Das Gefäß ist in stunden- oder gar tagelanger Arbeit gehämmert worden und sieht aus der Nähe so aus:

Faszinierend - wie fast alles hier - ist auch der Künstler selbst. In seiner feinen ruhigen Art philosophiert er über manches künstlerische Thema, welches er umsetzte, über sein liebstes Material, nämlich Stahl und Rost sowie über Formen, Proportionen, Funktionalität und Ideen.

Eine Idee finde ich besonders schön, nämlich die der Teilhabe mehrerer Künstler an einem Projekt. Ein Stapel ausgedienter maroder Schieferplatten von einem 130 Jahre alten Dach einer betagten Remise gab die Inspiration. 37 eingeladene KünstlerInnen experimentierten über einen längeren Zeitraum mit diesem besonderen Material und entwickelten ihre ganz eigenen künstlerischen Antworten darauf. Eine Künstlerin antwortete sogar mit einem gestickten Werk!

Gerade arbeitet der Künstler unter anderem an einem Buchprojekt. Die Buchseiten sind Ausschnitte aus Stahlteilen mit zufällig vorgefundenen Farbschichten, gealtert durch Korrosion, Abdrücke, Abschürfungen und andere Beeinträchtigungen. Diese „Buchseiten“ warten noch auf eine poetische Komplettierung durch Schrift und Text.

An den Werkstattraum schließen sich noch eine Außenwerkstatt und ein Materiallager an. Auch diese befinden sich draußen unter den Bäumen, denn nirgendwo anders setzt der Stahl eine so schöne Patina an wie in der freien Natur. Hier sind Verwitterung und Veränderung willkommene Prozesse.

Der feine Skulpturengarten mit Galerie steht Besuchern immer mittwochs bis sonntags von 10 bis 18 Uhr offen. Der Eintritt ist frei. Das Glück zu haben, vom Künstler selbst die Geschichten hinter den Kunstwerken erzählt zu bekommen, ist allerdings den Bemühungen des Stralsunder Kunstvereins zu verdanken.

Randvoll mit Eindrücken haben wir nun Hunger! Vielleicht hat das Café im ehemaligen Affenhaus am Schwanenteich, welches heute ein Spielzeugmuseum beherbergt, noch offen? Yes! Eine dicke Mohntorte ist uns in der spät nachmittäglichen Sonne gerade recht.

Das nächste Ziel ist der Ortsteil Lauterbach mit der Architektur-Perle „Badehaus Goor“

1819 gründete Fürst Wilhelm Malte der I. das erste weiträumige Seebad in Putbus. Die Aufmauerung der Kolonaden mit 18 steinernen dorischen Säulen ist etwa 14 Jahre später datiert. Ein imposanter Bau!

Die Lage ist 1A Sahne. Die Aussicht auch. Heute beherbergt das Badehaus Goor ein Hotel. Die gleichnamige Halbinsel mit herrlichen Badeplätzen und Spazierwegen ist noch weitgehend naturbelassen. Ein Idyll.

Der Ortsteil Lauterbach mit seinem Hafen war einst beliebter Treffpunkt des segelfreudigen europäischen Hochadels. Noch heute liegt hier Yacht an Yacht an den Stegen.

Zusätzlich gibt es im Hafen noch eine Besonderheit: schwimmende Häuser! Die Idee dazu hatten die Erbauer, die Jaichs, in den 90er Jahren. Heute trägt die Bucht sogar ihren Namen: „Im Jaich“. Mensch und Meer sind hier untrennbar. Man findet vom Bootsverleih über Segelschule und Yachtservice bis zum Winterlager und Restaurant alles, was mit dem Element Wasser zu tun hat.

Gelernt haben wir auch etwas: Auf einem Schild steht groß „slippen“ und klein dabei „gebührenpflichtig... bitte melden Sie sich im Hafenkiosk oder im Büro“. Das Wort „slippen“ kennen wir nicht. Aber Google hilft uns: Slippen kommt von schlüpfen, gleiten und bedeutet, Wasserfahrzeuge mithilfe eines Bootstrailers oder Slip-Wagens zu Wasser zu lassen oder aus dem Wasser zu holen. Üblich ist dies insbesondere für Jollen, Sportboote und Sportkatamarane. Beim Spazieren in der abendlichen Sonne begleitet uns das stete Klimpern der Leinen an den Segelmasten der Yachten und der aufgedockten Boote im Hafen. Eine feine Melodie!

Wer hinüber zur Naturschutzinsel Vilm mit dem Sitz der Internationalen Naturschutzakademie möchte, ist hier in der Marina auch richtig. Bereits Caspar David Friederich fertigte erste Studien von der „Urwaldinsel“ an! Wir sind uns einig: Ein Urlaubstag für Putbus ist viel zu kurz. Allzu gern hätte ich noch die feine Ausstellung Exlibris/ Bucheignerzeichen von Hans Studer in der „LA PETIT ORANGERIE“ im Ortsteil Neuendorf gesehen oder in die Galerie für zeitgenössische Kunst Circus Eins in Putbus oder in das besonders eingerichtete Restaurant Nautilus in Wreechen hineingeschaut... Kurzum: Wir müssen wiederkommen!
Erreichen kann man Putbus von der Bäderseite aus mit dem Auto auf schattigen Alleen, mit dem Schiff zum Hafen Lauterbach oder mit dem Regionalzug, dem „Rollenden Roland“. Sportliche nehmen natürlich das Fahrrad!  

Ist das nicht toll, was uns Edith da alles berichtet hat? Wir sind jedenfalls begeistert. Falls ihr bei uns etwas veröffentlichen wollt, immer her damit, am besten eine Mail an info@grad60.com, wir melden uns garantiert.

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