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Der Watzmann ruft - Ein Gastbeitrag

Der Watzmann ruft - Ein Gastbeitrag

Paul und Eric haben im September 2020 die Watzmannüberquerung gewagt und Paul hat es für uns aufgeschrieben. Bei Höhenangst besser nicht weiterlesen; für alle anderen: den Klettergurt schließen und ab geht die Luzie.

Eric versteht meine Frage nicht: „Wieso Biergärten oder Watzmann? Das heißt Biergärten und Watzmann, oder?“ Ich bin zwar etwas verblüfft, aber bereit, zuerst am Freitag Flaucher, Franziskaner und Augustiner unsicher zu machen und am Samstag und Sonntag das Hocheck, die Mittelspitze und die Südspitze zu besteigen. Ein guter Plan, denke ich, pack ma‘s!

Mit pelziger Zunge, etwas steif im Nacken und schlapp in den Knien laden wir Samstagmittag Klettergurt, -helm, Schlafsack, Wanderschuhe einschließlich Stöcke und Stirnlampe in den Mietwagen und düsen von München Richtung Alpen. Das ist ja nicht weit, sie sind von der baierischen Metropole immer gut zu sehen. Gegen 15:30 Uhr erreichen wir den Parkplatz Wimbachbrücke. Wir sind nicht die einzigen, trotz Corona ist hier richtig was los. Doch die Übernachtung im Watzmannhaus ist vorgebucht, die Betten sind uns sicher. Auf dem ersten Schild steht „Vier Stunden“, das könnte knapp werden für’s Abendbrot und Feierabendbier. Also los und kein schuldhaftes Zögern.

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Die ersten Meter gehen wir durch einen dichten Mischwald auf einem schön ausgebauten Wanderweg. Das Wetter ist perfekt, nicht zu warm und nicht zu kalt. Nach der Baumgrenze wird es langsam zu einem richtigen Wanderweg und wir können erstmalig einen Blick auf den Watzmann und die Watzmannkinder werfen.

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Atemberaubend und kribbelnd. Weiter, weiter. Nach einem kurzen, recht flachen Marsch geht es plötzlich sehr steil durch schroffes Gelände, wo wir in kurzer Zeit viele Höhenmeter machen. Wir überholen Papas, Mamas und andere Muskelaktivisten und sind sicher: „Wir kriegen was zum Beißen, wir schaffen’s rechtzeitig, aber die Anderen?“ Noch eine weitere kurze Kletterpassage und nach nur einer Stunde und 45 Minuten statt der angegebenen vier sind wir am Watzmannhaus.

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Gut ausgepowert freuen wir uns auf frische Klamotten, die wir natürlich als Platzgründen nicht mit eingepackt haben. „Das trocknet gut am Körper, Alter,“ wirft Eric ein und stellt sich schon mal in die Schlange. Es sind die verschiedensten Leute hier. Viele in kompletter Ausrüstung, manche nur mit Jeans und kleinem Wanderrucksack und es gibt die Trailrunner, die nur in Laufsachen unterwegs sind. Einen Berg zu unterschätzen, kann tödlich sein. Aber, nun ja, nicht unser Problem. Ein paar Minuten später haben wir und ein Pärchen aus München dank Reservierung unser Vierbettzimmer mit einem traumhaften Blick ins Tal.

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Nach einem kurzen Austausch geht es für uns zum Abendessen. Die Küche ist außerordentlich gut für eine Hütte auf 1.930 Metern, richtig lecker. Nach dem Abendessen schmeckt das Bier auch schon wieder und wir planen den nächsten Tag. Der Watzmann ist mit 2.713 Meter das zweithöchste Gebirgsmassiv Deutschlands und hat drei Gipfel. Der Anstieg verläuft meist im Bereich des fast drei Kilometer langen Grates, der vom Watzmannhaus bis zu Südspitze reicht. Den werden wir nehmen. Da wir beide nicht die Frühstückertypen sind, entschließen wir uns, keine Morgenmahlzeit zu ordern, sondern bereits um fünf Uhr den Watzmann anzugehen.

Am nächsten Morgen haben wir perfekte Bedingungen, kein bisschen Wind, klarer Himmel und für September sehr angenehme warme Temperaturen. Die Mütze können wir gleich wieder einstecken. Es ist noch stockdunkel und so heißt es, Stirnlampe an und los. Auf den ersten Metern folgen wir einem schmalen Weg, der sich den Berg hochschlängelt. Viele sind noch nicht unterwegs; die meisten wollen wohl doch frühstücken. Nach einigen Minuten kommen wir zur ersten Kletterstelle. Sie stellt sich aber als harmlos raus. Gegen sechs Uhr wird es langsam hell und die Sonne schickt sich an, uns zu begeistern. Es wird einer der schönsten Sonnenaufgänge, den wir je gesehen haben. Unser Gestirn gibt alles. Und das schon am frühen Morgen. Wunderbar.

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Wir erreichen nach einer guten Stunde das Hocheck und hier heißt es, erst einmal ausruhen und Klettersteigset anziehen. Eric ist sehr klettererfahren und entscheidet sich dagegen. Ich jedoch lege Klettergurt und das übrige Zeug an. Bei mir ist es eher ein Kopfsache, damit ich mich zu Not immer absichern kann; ich weiß ja nicht zu 100 Prozent, was wirklich auf mich zukommt.

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Wir klettern die ersten richtigen Überschreitungsmeter. Die meiste Zeit gibt es ein Drahtseil zum Festhalten, jedoch nicht überall. Und ein richtiges Sicherungsseil ist das auch nicht. Es geht hoch und runter. Und an mancher trickreichen Stelle sage ich mir: „Bloß nicht runterschauen!“ Es ist nicht besonders anspruchsvoll, aber die Höhe ist brutal. Links und rechts geht es einfach mal so 1.000 Meter abwärts. Ich versuche es auszublenden. Eric hat damit gar kein Problem. Bewundernswert. Bei einer Pause setzt er sich auf einen der Felsvorsprünge und genießt die Aussicht.

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Und weiter geht’s zur Mittelspitze, jetzt wird es um Einiges schwieriger. Hinterns sehen wir die Massen ankommen. Nichts gegen die Leute, die wollen auch ihren Spaß haben. Aber mitten in einem Pulk zu klettern, das ist nicht so schön. Also zügig weiter.

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Ich muss mich das erste Mal sichern. Es ginge vielleicht auch ohne, aber die Vernunft siegt. Dieses Stück von der Mittelspitze zur Südspitze ist auf jeden Fall der anspruchsvollste Teil der ganzen Tour. So steht es auch in unserem Reiseführer. Und die haben Recht. Die beiden Spitzen sind zwar fast gleich hoch, jedoch muss man ein ordentliches Stück runter und wieder aufwärts. Diese Passagen erinnern mich daran, warum ich vorher die Frage beantworten musste, ob ich trittsicher und schwindelfrei bin. Ein falscher Schritt und ab in die Tiefe. Hochkonzentriert setzte ich einen Fuß nach dem anderen auf den Felsen. Nur nicht abrutschen. Es ist hochalpines Gelände. Jeder Fehler wird böse bestraft.

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So hangeln und klettern wir Richtung Südspitze. Es gibt immer wieder Passagen, wo wir uns nicht sichern können. Die haben es schon in sich. Zu viel Nachdenken ist dabei hinderlich. Wenn die Angst von dir Besitz ergreift, erstarrst du zur Salzsäule. Das wäre fatal.

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Bei einem Stück ist der Pfad nur ca. 40 Zentimeter breit. Zehn Meter lang. Links und rechts geht es extrem tief runter. Dort müssen wir jetzt rüber. Das kostet Überwindung. Schritt für Schritt. Nicht zu schnell, aber auch nicht trödeln. Geschafft! Auf der anderen Seite können wir Pause machen und die atemberaubende Aussicht genießen. Wunderschön hier oben.

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Nach weiteren fordernden Kletterpassagen erreichen wir nach anderthalb Stunden die 2.712 Meter hohe Südspitze und werden mit einem phänomenalen 360° Panorama belohnt. Auf einer Seite der Königsee, über diesem hängen noch die Wolken. Und auf der anderen Seite geht der Blick bis zum Großglockner. Es ist traumhaft schön. Hier wird uns aber auch nochmals bewusst, wie gut es war, so zeitig loszuziehen. Denn hinter uns auf dem Grad tummeln sich dicht an dicht die Menschenmassen. Gott sei Dank sind wir schon oben. Wir ruhen uns aus und verharren im Genießermodus, gut eine Stunde lang. Wir können es uns ja leisten. Das Volk ist noch auf dem Anmarsch.

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Nachdem wir uns sattgesehen haben, geht es dem Abstieg entgegen. Auch anspruchsvoll. Es kommt der Part, wo schon einige Watzmannüberquerer verunglückt sind. Gefährlicher Steinschlag steht da an erster Stelle. Also Helm auf und los. Die ersten Meter geht es im Klettern nach unten bis zu einem Schotterfeld. „Hallo“, sagen die Oberschenkel. Sie grüßen mich freudig erregt und versprechen nachhaltige Erinnerung. Das geht wirklich ganz schön in die Beine. Und zu guter Letzt haben wir kein Wasser mehr. Doch zum Glück kommt mitten im Abstieg eine Quelle, wo wir unsere Wasservorräte auffüllen können.

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Der Abstieg zieht sich extrem hin und erscheint mir viel anstrengender als der Aufstieg. Lieber laufe ich stundenlang einen Berg hoch als runter. Aber das gehört dazu. Was rauf kommt, will auch wieder downhill. Nach etlichen Kletterpassagen und weiteren Schotterfeldern besonderer Güte und Ausmaß kommen wir endlich im Wimbachgriestal an. Ein riesiges trockenliegendes Flussbett. Im Winter wahrscheinlich voll mit Wasser. Die letzten zehn Kilometer sind jetzt nur noch leichtes bergab Wandern. An der Wimbachgrieshütte genießen wir ein großes Skiwasser. Aufgrund der Preise haben wir keine Lust auf eine Mahlzeit. Gegen 15:00 Uhr sind wir wieder an unserem Auto, ziehen sehnsüchtig die Wanderschuhe aus und gehen im Wimbach baden. Wir sind einigermaßen erledigt, fühlen uns aber sehr gut. Das war herrlich, traumhaft. Absolut empfehlenswert.

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Fazit:

Die Watzmannüberquerung ist nicht für jedermann geeignet, kann aber mit ein bisschen Übung zu einem echten Highlight werden. Sie sollte nur bei stabilem Hochdruckwetter und schnee- /eisfreiem Fels unternommen werden! Bei Gewitter gab es auf dem Grat schon einige böse Unfälle. Trittsicherheit, Schwindelfreiheit und etwas Klettergewandtheit sind notwendig. Hochalpine Kletterausrüstung ist zu empfehlen. Längere Strecken haben den Schwierigkeitsgrad 1-, ansonsten sind Sicherungen vorhanden.

Grace oder „Der Tag, an dem ich mich verliebte“

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Ich löse keine Probleme – Ich höre zu!

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