Reisebericht Südtirol - zwischen Bozen und Brixen

Jetzt mal Hände hoch: Wer weiß, dass man von Berlin direkt nach Bozen fliegen kann? Schon mal was von Sky Alps gehört? Ich auch nicht. Aber in der Tat fliegen kleine Turboprops für 78 Fluggäste in eineinhalb Stunden diese Strecke. Übrigens auch von Hamburg, Düsseldorf und Kassel. Und da ich keine Lust auf zehn bis zwölf Stunden Autofahrt habe, nehme ich den Flieger.

Bei Freigetränk und „Süß- oder Salzig-Gebäck“ pocht in meinem Hirn das schlechte Fluggewissen: „Muss das wirklich sein?“ Und als ob die Fluggesellschaft meine Gedanken lesen kann, fällt mein Blick auf einen Artikel im Bordmagazin. Da lobt der Koch seine Speisen, soll heißen: Die Maschine verbraucht pro Passagier deutlich weniger CO² als eine Zwei-Personen-Autofahrt. Mmmhh, nun ja, ich will’s glauben. Dabei beobachte ich, wie beim Landeanflug das Fahrwerk etwas gewöhnungsbedürftig aus der Tragfläche der spritsparenden „De Havilland Dash DHC-8-Q400“ ausschwenkt.

Richtig abgassparend geht es nach der Landung vom Flughafen Bozen zur Urlaubsdestination Klausen mit dem ÖPNV. Ort und Hotel hatte ich auf meiner Radtour von Berlin mit Ziel Rom vor ein paar Wochen besucht und jetzt mit Melanie zum näheren Kennenlernen auserkoren. Auch mit dem Fahrrad. Aber mit einem gemieteten E-Bike! Diesmal fahre ich lächelnd, locker und entspannt mit 20 km/h bei 15% Berganstieg an den schnaufenden Echt-Radlern vorbei und weiß ganz genau, was sie denken.

So, was kann man denn in einer Woche Südtirol zwischen Bozen und Brixen unternehmen? Ich habe da ein paar Vorschläge für euch:

Kurzwanderung auf der Seceda-Alm – Reisebericht Südtirol zwischen Bozen und Brixen

Die Seceda zählt zum UNESCO Weltnaturerbe Dolomiten und ich will mal sagen, zu Recht. Hoch geht es von St. Ulrich erst mit der kleinen Gondel und anschließend mit der Kabinen-Seilbahn. Beim Blick auf die Preistafel blitzt kurz der Selbst-Bergbesteigungs-Gedanke auf: Hoch und Runter kosten knapp 40 Euro. Aber 1.200 Höhenmeter sind ein stichhaltiges Gegenargument.

An der Bergstation vergesse ich sofort den Preisschock. Schnappatmung erzeugt vielleicht auch die Höhe, aber mit Sicherheit das Panorama. Vor uns eröffnet sich eine grüne Alm-Mulde mit schroffen Dolomitenfelsen drumherum. Kitschiger kann es ein Heimat-Maler nicht auf die Leinwand bringen. Und während wir da so staunend stehen, frage ich mich, sind die Rinder von der Aussicht auch so begeistert?

Für alle Wander-Freaks starten hier jede Menge Rundwanderwege für mehrstündige oder mehrtägige Touren. Aber alle haben eins gemeinsam: flach ist nicht! Nur die Wahl zwischen erst hoch oder erst runter. Und tatsächlich kraxeln leicht bekleidete Spaziergänger und hardcore-ausgestattete Bergwanderer über die Schotterwege. Mich zieht es zu einem Anstieg hoch, der eigentlich nicht für mich gedacht ist.

Genau so etwas übt auf mich aber eine unbändige Anziehungskraft aus und tatsächlich lässt sich der Steig bis zur Abbruchkante auch ohne Ausrüstung bewältigen. Ganz sicher. Meine Mahnerin Melanie, die Besonnenere von uns, ist nämlich auch dabei. Belohnt wird der Wagemut mit einer einzigartigen Aussicht.

Bei so viel Weitsicht geht der Blick auf das Naheliegende leicht verloren, was für eine alpenländische Rarität fast das Aus bedeutet hätte. Wenige Zentimeter vom Wanderstiefel entfernt reckt sich eine pelzige weiße Blüte in die Höhe. Ein Edelweiß! Stark gefährdet durchs Pflücken - haben wir nicht vor - und durchs Zertreten - fast passiert. Noch mal Glück gehabt!

Egal ob große Wanderung oder Kraxeln, die Großstadtbeine freuen sich am nächsten Tag auf das, was sie können: eine Stadtbesichtigung.

Stadtspaziergang Brixen - Reisebericht Südtirol zwischen Bozen und Brixen

Dominierender Fixpunkt von Brixen ist der Dom, dessen Ursprünge 1.000 Jahre zurückliegen. Aber der Bau hatte entscheidende Feinde: zum einen das Feuer und zum zweiten den Zeitgeschmack. Mehrfach abgebrannt, dann jeweils „modern“ neu aufgebaut, wurde das ursprünglich romanische Münster zuletzt im Stil des Barocks erstellt. Daneben zieht ein Glockenturm die Blicke auf sich. 72 Meter hoch überragt der „Weiße Turm“ der Kirche des Heiligen St. Michael die Stadt und zeigt von der Adlerbrücke über den Fluss Eisack den Weg ins Zentrum.

So ein richtiger Kirchen-Fan bin ich nicht unbedingt. Was war nochmal Apsis, Chor, Querschiff? Und wo liegen die Unterschiede zwischen Münster, Kathedrale oder Dom? Wie auch immer, eines gefällt mir am Dom zu Brixen sehr gut: der danebenliegende Kreuzgang mit seinen Malereien. Auf den Zeichnungen lassen sich interessante Dinge entdecken: ein Kriegselefant, der aussieht wie ein Pferd mit Rüssel, eine Frau, die den König ohrfeigt und natürlich viele christliche Symbolik.

Nach so vielen gemauerten Steinen schreien die Steine vom Berg nach einer Wanderung.

Wanderung auf der Plose - Reisebericht Südtirol zwischen Bozen und Brixen

Der Hausberg von Brixen ist die Plose mit ihrer Höhe von über 2.500 Metern. Zum Glück müssen wir nicht ganz von unten da hoch. Unser Elektrobike düst mit uns im Turbogang die Serpentinenstraße hoch. Aber auch ein Linienbus verbindet Brixen mit der Talstation der Plose-Bahn. Kostenlos! Denn Südtirol hat sich für Übernachtungsgäste etwas Tolles ausgedacht. Für Urlauber in Brixen die Brixen-Card, in Bozen die Bozen-Card und in Klausen die …richtig! Damit sind Verkehrsmittel, ein Teil der Gondeln und Museumseintritt inkludiert; und die Aussicht ist für alle frei.

Los geht es heute auf einem schmalen Pfad in Richtung Ochsenalm. Der Schotterweg an der Baumgrenze lässt sich mühelos bewältigen. Ein paar kleine Anstiege, doch alles sehr moderat und schon nach fünf Kilometern ist die Hütte erreicht. Etwas vermessen verdrücken wir Knödel, Frittatensuppe und Bier. Der „Enzian“ aufs Haus zerknautscht mein Gesicht. Er ist so bitter, dass wir den Rest den Berggöttern opfern. Hoffentlich unbemerkt vom Service und der Blaskapelle.

Noch einmal schnell das Bier wegbringen und an der Seite von Lederhosen-Sepp neben dem Fahnenmast einen Blick ins Tal genießen. Dann geht’s weiter.

Der Berg will jetzt Leistung sehen. Steil bergan pumpt das Herz auf volle Kraft. Der gut gefüllte Bauch meckert: „Hättste mal nich…“ Es ist warm und die überflüssige Jacke drückt im Rucksack. 400 Höhenmeter auf zwei Kilometer Wanderstrecke sind knackig, fordern Konzentration und lassen das Fotografieren vergessen. Erst später banne ich das Wandererlebnis auf den Chip.

Es gibt hier oben auf der Plose auch ausgeschilderte leichte Wandermöglichkeiten mit Zeitangabe. Aber egal ob schwer oder leicht, eine wärmende Jacke im Rucksack ist dann doch nicht überflüssig. Bei hitzigem Sonnenschein gestartet, verfängt sich auf unserer Tour eine Wolke im Gipfel und lässt die Temperatur locker um feuchte 10° C sinken.

Schloss Velthurns - Reisebericht Südtirol zwischen Bozen und Brixen

Das nächste Ausflugsziel ist das Schloss Velthurns im gleichnamigen Ort, der allerdings statt „V“ mit „F“ beginnt. Schussel Thomas hat die Klausen-Card vergessen und fragt, wieviel Eintrittsnachlass es denn gegeben hätte: „Rabatt kriegst‘ keinen! Mit der Card kommst‘ kostenlos rein!“ Okay, nicht ärgern, sondern einfach die herrliche Aussicht aus den Fenstern des Schlosses aus dem 16. Jahrhundert genießen.

Die wahren Schätze des Hauses sind jedoch die Holzvertäfelungen an den Wänden und Decken: prunkvoll, golden, üppig. Leisten konnte sich das der Fürstbischof von Brixen in seinem Fürstenzimmer, an dem angeblich sieben Tischler sieben Jahre, sieben Monate und sieben Tage gearbeitet haben. Ich höre mir die Geschichte im Audio-Guide an und staune, wie mühselig, langwierig und kostenintensiv der Bau vonstatten ging. War früher auch nicht besser…

Bergwerk Villanders - Reisebericht Südtirol zwischen Bozen und Brixen

Die „Kohle“ für den Bau von Schlössern in dieser Gegend stammte aus dem Bergwerk Villanders. Also „Kohle“ im übertragenen Sinn. Rausgeholt hat man Erze, aus denen dann in riesigen Öfen überwiegend Kupfer und Silber herausgeschmolzen wurden. In mühseliger Arbeit mit Hammer und Meißel kam ein Knappe im Stollen gerade einmal vier Zentimeter am Tag vorwärts. Unvorstellbar wie somit insgesamt 25 Kilometer Stollengänge entstehen konnten, auch wenn später mit großem Knall die Schwarzpulver-Sprengung dazu kam.

Heute hämmert und sprengt hier niemand mehr, sodass wir ungefährdet auf die geführte Besichtigungstour gehen können. Zur Sicherheit müssen wir einen Helm tragen, der mir in der gebückten Haltung in den niedrigen Gängen fast vom Kopf fällt. Plötzlich ein Knall vor mir. Melanie schafft es mit ihren 1,61 Meter doch tatsächlich gegen einen Felsvorsprung zu donnern. Ohne Helm hätt’s kräftig geblutet.

Die Tour bleibt auch ohne diese Einlage im Kopf, weil hier sehr eindrucksvoll klar wird, unter welchen schweren Bedingungen die Menschen schon im Kindesalter arbeiteten mussten.

Barbianer Wasserfälle - Reisebericht Südtirol zwischen Bozen und Brixen

Als nächster Besichtigungspunkt stehen die Barbianer Wasserfälle auf dem Programm. Der Serpentinenweg dorthin führt an Pflaumenplantagen und Pfirsichbäumen vorbei. Eine dieser baumreifen Früchte muss ich mir einfach stibitzen.

Wir wollen unsere berggängigen E-Bikes direkt unterhalb des Zugangs zum Wasserfall parken. Doch kaum abgestellt, überschwallt uns nicht Wasser, sondern eine Schimpftirade. Wir stehen auf Alm-Öhis Grundstück. Um kein Platte-Reifen-Risiko einzugehen, verziehen wir uns lieber und nehmen einen etwas längeren Fußweg in Kauf.

Die feuchte Luft und das Donnern kündigen ihn schon vor der letzten Biegung an. 85 Meter tief stürzt das Wasser die letzte Stufe herunter. Auf insgesamt acht Kaskaden überwindet der Ganderbach 1.500 Meter Höhenunterschied. Wirklich gewaltig! Durch die vielen Gewittergüsse in diesem Sommer auch reichlich gespeist und damit eher ein Strom als ein Bach.

Bozen - Reisebericht Südtirol zwischen Bozen und Brixen

Natürlich muss die Landeshauptstadt Südtirols bei einem einwöchigen Urlaub mit dabei sein. Egal ob auf dem Eurovelo 7 oder bei der Anfahrt mit der Bahn, am Bozener Stadteingang grüßt Walther. Es ist der deutschsprachige Dichter des Mittelalters, Walther von der Vogelweide, der hier in Marmor auf seinem Sockel den Stadtplatz überblickt.

Bozen ist die Stadt zum Shoppen. Und das schon lange bevor wir für’s Einkaufen das denglische Wort benutzen: Seit dem 12. Jahrhundert handeln Kaufleute ihre Waren in den Lauben, wie hier die Arkadengänge unter den Wohnhäusern genannt werden. Praktisch sind sie: Je nach Wetterlage trocken shoppen und schattig schlendern. Dazu locken auf dem täglichen Obstmarkt rote Paprika, gewürzter Schinken und getrocknete Steinpilze die Kunden an.

Wem bei so viel Konsum der Geist nach etwas Erbaulichem ist, der kann sich im Kreuzgang des Franziskanerklosters die gemalte Geschichte des Ordens anschauen oder einfach nur die Zypressen an der Klostermauer bewundern.

Man könnte noch das Museum mit Ötzi besuchen oder den typischen Südtiroler Rotwein „Vernatsch“ probieren, die Ravioli ähnlichen „Schlutzkrapfen“ speisen… Ich könnte die Leckereien, historische Bauten und Erlebnismöglichkeiten von Südtirol noch endlos weiter aufzählen, aber eine Woche Zeit ist schnell vorbei in der kleinen Region zwischen Bozen und Brixen. Da kann es doch nur heißen: Hier muss ich wieder hin!

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